Best Practice – Gilgen‘s

Gilgen’s ist ein Unternehmen mit langer Tradition. Heute hat Gilgen’s rund 40 Bäckerei-Filialen in der Region Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis. Von den rund 530 MitarbeiterInnen arbeiten 400 MitarbeiterInnen im Verkauf. Auch Frau Rötzel hat vor 18 Jahren ihre Tätigkeit bei Gilgen’s als Verkäuferin begonnen. Heute arbeitet Sie als Referentin und ist insbesondere für Mitarbeiterschulungen verantwortlich, übernimmt aber auch die Mitarbeitergespräche im Rahmen des BEM-Verfahrens und ist als Vertrauensperson gefragt. Ein neuer Aufgabenbereich, der auf die Bedarfe des Unternehmens reagiert und zur Mitarbeiterin bestens passt.
Wir sprachen mit Herrn Gilgen (Geschäftsführer) und Frau Rötzel (Referentin) über die Zusammenarbeit und die Entwicklung im Unternehmen.

Abb.: (v. l. n. r.) Manuela Gilgen (Geschäftsführerin), Franz-Josef Gilgen (Geschäftsführer), Sonja Rötzel (Referentin)


Frau Rötzel, Sie sind bereits langjährig bei Gilgen’s beschäftigt. Welchen Weg haben Sie im Unternehmen genommen?

Frau Rötzel: 1998 habe ich als Verkäuferin bei Gilgen’s begonnen, zwei Jahre später die Filialleitung übernommen und dann verschiedenste Filialen in der Region geleitet. In dieser Zeit bin ich an Polyarthritis, einer Form des Rheumas, erkrankt, sodass die körperliche Arbeit in der Bäckerei für mich immer beschwerlicher wurde. Als Verkaufsleitung übernahm ich dann die Leitung eines Bezirks. Im Rahmen dieser Tätigkeit habe ich zwar weniger in der Filiale selbst mitgearbeitet, aber auch in diesem zeitlichen Umfang wurde das Stehen und Heben etc. immer anstrengender. Die Erkrankung hat letztlich dazu geführt, dass ich diese Tätigkeit nicht mehr ausüben konnte.

Herr Gilgen, wie ging es dann weiter? Welche Überlegungen haben Sie angestellt?

Herr Gilgen: Frau Rötzel war bereits lange in unserem Unternehmen tätig und wir wollten sie als Mitarbeiterin gerne im Unternehmen halten. Deshalb haben wir an den Stärken und Fähigkeiten angesetzt und uns gemeinsam überlegt, welche Tätigkeit für sie passend wäre. Wir haben uns ohnehin bereits mit dem Gedanken getragen, mehr Mitarbeiterschulungen anbieten zu wollen, wussten aber nicht so recht, wer diesen neuen Bereich übernehmen könnte. Mit den Fähigkeiten von Frau Rötzel war dann klar, dass sie für diesen Aufgabenbereich sehr gut geeignet ist.

Welche Fähigkeiten waren das?

Herr Gilgen: Sie hat natürlich einen großen Erfahrungsschatz und kennt das Unternehmen gut. Sie ist außerdem empathisch und kann die Dinge trotzdem sachlich betrachten. Mit ihrem Organisationsgeschick und ihrer Fähigkeit, Inhalte zu strukturieren, war sie für uns die ideale Besetzung für die Leitung des Schulungsteams.

Frau Rötzel, welche konkreten Tätigkeiten übernehmen Sie heute im Unternehmen?

Frau Rötzel: Ich entwickle und organisiere die einzelnen Schulungen unseres dreiköpfigen Schulungsteams zu Themen wie „Mitarbeiterführung“, „Patenschulung“, das meint die Betreuung von neuen Mitarbeitern, oder zu Themen wie „Organisation und Kennzahlen“. Neben den Mitarbeiterschulungen werde ich bei Konflikten als Vertrauensperson hinzugezogen. Wenn Mitarbeiter nach längerer Krankheit zurückkehren, führe ich die Gespräche im Rahmen des BEM-Verfahrens (Betriebliches Eingliederungsmanagement) durch. Hier kann ich auch meine eigenen Erfahrungen einbringen.

Wie haben Sie diese Entwicklung wahrgenommen?

Frau Rötzel: Ich habe im Vorfeld bereits schon kleinere Schulungen durchgeführt, sodass ich mir diesen neuen Aufgabenbereich gut vorstellen konnte. Diese Tätigkeit ist für mich auch deshalb optimal, weil sich Tätigkeiten im Sitzen und Stehen abwechseln und ich dies flexibel gestalten kann. Ich habe auch im Rahmen meiner anderen Tätigkeiten einen guten Kontakt zu meinen Kollegen und es freut mich, wenn ich als Ansprechpartnerin wahrgenommen werde und meine Einschätzung gefragt ist.

Herr Gilgen, sind in Ihrem Unternehmen auch andere Menschen mit einer Einschränkung beschäftigt?

Herr Gilgen: Das Besondere an der Situation von Frau Rötzel ist, dass sie die Einschränkung erst im Laufe der Beschäftigung erworben hat. Wir haben aber auch aktuell drei Mitarbeiter mit einer Sehbehinderung beschäftigt, die diese Einschränkung schon bei Einstellung hatten. In der Vermittlung dieser Mitarbeiter und bei der Beantragung von Zuschüssen, beispielsweise für eine Kuchenschneidemaschine, hat uns die Handwerkskammer zu Köln sehr gut unterstützt. Wir haben aber auch schon weniger gute Erfahrungen mit weniger engagierten Unterstützern gemacht. Für Arbeitgeber ist aber diese Unterstützung im Dickicht der vielen Ansprechpartner, wenn es um Förder- und Unterstützungsleistungen geht, enorm wichtig. Es fehlt einfach die Zeit sich da ohne externe Hilfe zurechtzufinden.

Wie nehmen Sie insgesamt die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern mit einer Einschränkung wahr?

Herr Gilgen: Wenn ein passender Arbeitsplatz gefunden ist, dann spielt die Einschränkung keine Rolle. Die Mitarbeiter sind oft viele Jahre bei uns und machen gute Arbeit. Wenn sich beispielsweise der Gesundheitszustand oder die Lebenssituation verändert, überlegen wir, welche andere Tätigkeit durch den/die MitarbeiterIn übernommen werden kann und orientieren uns dabei an den jeweiligen Stärken. Manchmal klappt das sehr gut, in anderen Fällen auch nicht.

Was passiert, wenn es mal nicht funktioniert, einen neuen passenden Aufgabenbereich zu finden?

Herr Gilgen: Auch wenn Menschen mit Behinderung einen besonderen Kündigungsschutz haben, bedeutet das nicht, dass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses unmöglich ist. Wir schalteten in zwei Fällen den Integrationsfachdienst ein, der zuständig ist, wenn es um die Beendigung der Beschäftigung geht. Nachdem wir dann zusammen mit dem Mitarbeiter festgestellt haben, dass es im Unternehmen keinen passenden Tätigkeitsbereich gibt, der zu den Fähigkeiten des Arbeitnehmers passt, beendeten wir das Arbeitsverhältnis.

Was können andere Arbeitgeber von Ihren Erfahrungen lernen?

Herr Gilgen: Im Kontakt mit anderen Arbeitgebern erlebe ich es oft, dass es Berührungsängste gibt, wenn es um die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung geht und es ist immer noch den Köpfen, dass es nicht möglich sei, sich von einem Mitarbeiter mit Behinderung aufgrund des besonderen Kündigungsschutzes wieder zu trennen. Es sind letztlich immer die eigenen Erfahrungen, die es ermöglichen, diese Ängste sowie Vorurteile abzubauen. Das gilt sowohl für die Vorstellung, dass nicht auch ein Mitarbeiter mit Behinderung genauso wertvolle Arbeit im Unternehmen leisten kann, als auch für das Thema Kündigungsschutz.

Frau Rötzel, wie würden Sie insgesamt Ihre Erfahrungen hier im Unternehmen beurteilen?

Frau Rötzel: Insgesamt war der gesamte Prozess natürlich eine sehr wertschätzende Rückmeldung zu meiner Arbeit. Es war eine positive Erfahrung, dass gemeinsam Überlegungen angestellt wurden, welchen Aufgabenbereich ich auch mit meiner Erkrankung gut übernehmen kann. Ich habe es selbst erfahren und stelle es im Rahmen meiner Tätigkeit immer wieder fest, dass Kommunikation das A und O ist. Probleme anzusprechen und die gemeinsame Suche nach Lösungen bringt Entwicklung im Unternehmen, aber natürlich auch in persönlicher Hinsicht.

Abb.: Sonja Rötzel (Referentin) im Gespräch mit Frau Viktoria Skranschewski


 

Weitere Informationen zur Gilgen´s GmbH & Co. KG finden Sie hier