Best Practice – Bundesinstitut für Berufsbildung

Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) ist das zentrale Kompetenzzentrum zur Erforschung und Weiterentwicklung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in Deutschland. In jüngster Zeit hat es wichtige Forschungsbeiträge zur Förderung von Inklusion in der beruflichen Bildung geleistet. Besonders glaubwürdig wird dieses Engagement dadurch, dass das BIBB auch in der eigenen Organisation die Teilhabe von Menschen mit Behinderung fördert.
Treibende Kraft ist dabei das „Integrationsteam“, dem Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung, des Personalrats und der Dienststelle angehören. Seit gut einem Jahr bündelt es die Ziele und Aktivitäten des BIBB zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung in einer Integrationsvereinbarung.
Über die im Mai 2015 verabschiedete Integrationsvereinbarung und die Prozesse zu ihrer Entwicklung und Umsetzung sprachen wir mit Susanne Matthes (Personalratsvorsitzende), Sandra Dücker und Kerstin Siebertz (Dienststelle) sowie Thomas Borowiec (Schwerbehindertenvertretung).

v.l.n.r: Kerstin Siebertz, Thomas Borowiec, Sandra Dücker und Susanne Matthes


Was hat Sie dazu bewegt, im BIBB eine Integrationsvereinbarung anzuregen?

Frau Matthes: Das BIBB setzt schon seit längerem Instrumente ein, die auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Behinderung zugutekommen, beispielsweise das Betriebliche Gesundheitsmanagement. Aus Sicht der Schwerbehindertenvertretung galt es aber, die Anliegen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung noch mehr ins Blickfeld zu nehmen.

Herr Borowiec: Die Initiative kam von uns als Schwerbehindertenvertretung. Ein konkreter Anlass war die Telearbeits-Richtlinie des BIBB, in der festgelegt wird, wer in welchem Umfang zuhause arbeiten darf. Hier wollten wir die Interessen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Behinderung noch stärker berücksichtigten.

Frau Dücker: Für die Dienststelle ist wichtig, dass es Transparenz und Verbindlichkeit gibt. Mit der Integrationsvereinbarung haben wir durch Ziele festgelegt, was wir uns für die nächste Zeit prioritär vornehmen und über welche Maßnahmen wir dieses umsetzen. Generell sind wir uns darüber im Klaren, dass das Thema „Menschen mit Behinderung“ in der Arbeitswelt zunehmend an Bedeutung gewinnen wird, denn allein aus demografischen Gründen wird es immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung geben.

Wie sind Sie dann konkret vorgegangen?

Herr Borowiec: Wir als Schwerbehindertenvertreter haben uns erst mal schlau gemacht, indem wir uns andere Integrationsvereinbarungen angeschaut haben. Dabei ist uns schnell klar geworden, was für eine Vereinbarung wir wollen: nämlich eine, die wirklich etwas ändert und nicht nur schöne Worte enthält! Als nächstes sind wir zum Personalrat gegangen. Zusammen haben wir uns überlegt, dass die Integrationsvereinbarung auf jeden Fall eine Bestandsaufnahme und konkrete Zielvereinbarungen enthalten soll.

Frau Matthes: Genau, und dann haben wir die Dienststelle mit einbezogen und gemeinsam mit ihr die Grundzüge der Integrationsvereinbarung entworfen. Dabei haben wir uns gefragt „Was wollen wir im Hinblick auf Teilhabe behinderter Menschen im BIBB erreichen?“ Das Ergebnis war unser Entwurf für eine Präambel, in der unsere langfristigen Ziele stehen. Als nächstes haben wir uns überlegt, dass wir eine Bestandsaufnahme aller Regelungen und Aktivitäten machen wollen, die sich auch an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung richten. Im letzten Schritt haben wir uns darauf geeinigt, dass wir einen fortlaufenden, auf Konsens abzielenden Prozess anschieben wollen.

Wann ging der Umsetzungsprozess offiziell los?

Herr Borowiec: Unseren Entwurf für die Erarbeitung der Integrationsvereinbarung haben wir dem Präsidenten des BIBB, Herrn Prof. Esser, vorgelegt. Er hat daraufhin ein Integrationsteam benannt, das war im Mai 2014. Das Integrationsteam besteht aus der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen, Personalratsmitgliedern und Vertreterinnen der Dienststelle. Damit hatten wir einen offiziellen Auftrag. Bis September 2014 haben wir dann die Integrationsvereinbarung erarbeitet. Bis sie offiziell beschlossen wurde, dauerte es noch bis Mai 2015.

Was macht Ihre Integrationsvereinbarung aus?

Frau Matthes: Wir haben die Grundzüge in einer Präambel festgehalten. Dazu gehört, dass wir die Förderung und Sicherung der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben als wichtige Aufgabe anerkennen, dass wir vertrauensvoll zusammen arbeiten wollen und dass die Integrationsvereinbarung ein offener Prozess ist, an dem wir kontinuierlich arbeiten.

Herr Borowiec: Ein wichtiges Element der Integrationsvereinbarung ist die Bestandsaufnahme. Sie bezieht sich auf alle denkbaren Bereiche wie die Personalgewinnung, die Ausbildung und die Prävention, um nur einige Beispiele zu nennen.

Frau Dücker: Das Gute an der Bestandsaufnahme ist, dass wir jetzt wissen, wo wir stehen und wo es tatsächlich Bedarf gibt. Das ist ein sehr pragmatisches Vorgehen, das garantiert, dass wir am aktuellen Handlungsbedarf ansetzen.

Frau Matthes: Den Kern der Integrationsvereinbarung bilden die Zielvereinbarungen. Vorangestellt haben wir grundlegende Ziele wie die „Arbeitsplatzerhaltung für behinderte und gesundheitlich beeinträchtigte Menschen“ oder die „Ausbildung von behinderten Menschen.“

Dann haben wir konkrete Ziele formuliert, zu deren Erreichung wir uns verpflichtet haben. Das sind die Ziele, die wir uns zuerst gesetzt haben und sie sind nicht abschließend. Wichtige Themenfelder sind die Überarbeitung der Telearbeits-Richtlinie und der weitere Ausbau der sogenannten „Verzahnten Ausbildung mit Berufsbildungswerken“, mit der wir im BIBB sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Diese Ziele haben sich aus der konkreten Arbeit heraus entwickelt und orientieren sich an tatsächlichen Bedarfen.

Frau Dücker: Ganz wichtig ist auch, dass eine regelmäßige Erfolgskontrolle und Fortschreibung in der Integrationsvereinbarung enthalten ist. So können wir nach einem festgelegten Zeitraum beurteilen, wo wir noch mehr tun müssen oder wo wir uns vielleicht andere Ziele setzen müssen. Außerdem können wir dann neue Vorschläge aufnehmen, die aus dem Haus kommen.

Wie funktioniert Ihre Zusammenarbeit in der Praxis?

Frau Matthes: Wir haben alle das Verständnis, dass die Integrationsvereinbarung ein kontinuierlicher Prozess ist. Nichts steht im Vorhinein fest, das ist ganz wichtig!

Herr Borowiec: Im Integrationsteam suchen wir immer den Konsens und stimmen niemals ab! Eine Abstimmung würde auch nichts nützen, weil sich an der Umsetzung ja alle beteiligen müssen. Das funktioniert gut, weil wir immer wieder zusammen kommen und uns dabei gut kennengelernt haben.

Frau Dücker: Genau so ist das. Unsere Aufgabe ist es, gemeinsam das für alle Sinnvolle zu finden, denn nur das trägt längerfristig.

Bei der Umsetzung der Integrationsvereinbarung sind Sie auf die Mitwirkung weiterer Personen angewiesen. Wie ist da die Unterstützung?

Frau Matthes: Die Integrationsvereinbarung wird sehr positiv aufgenommen. Ich denke, das liegt daran, dass wir an wirklichen Bedürfnissen ansetzen.

Frau Siebertz: Für unsere Durchsetzungskraft ist es hilfreich, dass bestimmte Schlüsselpersonen bereits im Integrationsteam sind. Beispielsweise ist der Innere Dienst vertreten, der für den Arbeitsschutz zuständig ist, oder ich selbst als Ausbildungsleiterin. So ist es einfacher, auch die Unterstützung weiterer Personen zu bekommen, die für die konkrete Umsetzung einer Maßnahme erforderlich sind.

Frau Dücker: Ein zentraler Aspekt für die Akzeptanz ist, dass wir uns immer um ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen bemühen.

Herr Borowiec: In dem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, dass wir die Integrationsvereinbarung auf Betriebs- und Personalversammlungen oder beispielsweise im Rahmen der Aktionen zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung bekannt gemacht haben. Auch im Intranet ist sie veröffentlicht. Wir bemühen uns also um Transparenz und das wird anerkannt.

Was sagen Sie anderen Betrieben: Warum lohnt sich eine Integrationsvereinbarung?

Frau Matthes: Eine Integrationsvereinbarung trägt auf jeden Fall zu einem guten Betriebsklima bei, wenn sie funktioniert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen es wahr, dass man sich um ihre Bedürfnisse kümmert.

Frau Dücker: Sie kann ein wichtiger Bestandteil einer nachhaltigen Organisationsentwicklung sein. Die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung ist ein Querschnittsanliegen, das überall mitgedacht werden muss. Dafür braucht man verbindliche Regelungen, sonst verliert man die Übersicht.

Worauf sollten Betriebe Ihrer Meinung nach besonders achten, wenn sie eine Integrationsvereinbarung einführen möchten?

Herr Borowiec: Am Anfang sollte das gemeinsame Interesse stehen, etwas machen zu wollen. Dann erst sollten konkrete Ziele entwickelt werden. Integrationsvereinbarungen sind kein Standardprodukt. Deshalb kann man sich zwar Anregungen von anderen Integrationsvereinbarungen holen, aber man muss sie schon selbst entwickeln.

Frau Matthes: Es ist wichtig, an den realen Bedürfnissen anzusetzen. Dafür müssen verschiedene Perspektiven eingenommen werden und man sollte mit vielen Leuten reden.

Frau Dücker: Geduld ist ein wichtiger Punkt. Es sind viele kleine Schritte nötig, um eine Wirkung zu erzielen. Das braucht Zeit.

Frau Siebertz: Die Belegschaft muss davon überzeugt sein, dass sich das Mitmachen lohnt.

Frau Dücker: „Never change a winning team“ – Wir haben die Erfahrung gemacht, dass eine vertrauensvolle Teamarbeit entscheidend für den Erfolg ist.

v.l.n.r.: Dr. Ingo Benzenberg (Nell-Breuning-Berufskolleg), Uwe Korber (BIBB), Johannes Friedrichs (Auszubildender im BIBB), Jürgen Brink (Heinrich-Haus)

Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung


 

 

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